Kann ich mit Handschuhen bouldern gehen?

Neulinge des Bouldersports fragen sich häufig: warum nicht einfach mit Handschuhen bouldern? Während sie auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen, sprechen tatsächlich sehr viele Gründe dagegen - außer bei der Risskletterei.

Aktualisiert am 11. September 2023
Niklas B.

Recherchiert und verfasst von

Niklas B., Boulderer

Überprüft und editiert von

Onaclimb Team

Bouldern mit Handschuhen geht das
In diesem Artikel

Das Wichtigste im Überblick

Bouldern mit Handschuhen? – Ja, in der Theorie ist das möglich. In der Praxis jedoch die absolute Ausnahme, denn Handschuhe sind nicht so sinnvoll wie das für Einsteiger:innen den Eindruck machen mag.

Crack Climbing – Hier ist die eingangs erwähnte Ausnahme: Crack Climbing. Beim Crack Climbing klemmst du deine Hand in einen Felsspalt, du hältst über die erzeugte Reibung der Haut. Das ist ohne Handschuh schmerzhaft, die meisten Profis nutzen hierzu spezielle Crack Gloves.

Tape statt Handschuh – Handschuhe sind nicht der einzige, und nicht der beste Weg, deine Haut zu schützen. Statt Crack Gloves kannst du in Spalten auch dick tapen. Generell ist Fingertape ideal, um wunde Stellen zu überdecken und den Druck besser zu verteilen.

Wie sinnvoll ist das Bouldern mit Handschuhen?

Bouldern hinterlässt an deinem Körper so seine Spuren. Dazu gehören nicht nur stramme Arme und ein starker Rücken, sondern auch raue Hände. Für viele Boulderer:innen sind die Schwielen an den Händen mehr als nur ein ästhetischer Makel – warum also nicht einfach Handschuhe zum Bouldern tragen?

Spezielle Boulderhandschuhe – gibt es das überhaupt?

Einige Hersteller machen immer wieder Werbung damit, dass sie spezielle Handschuhe zum Bouldern im Angebot haben. Und tatsächlich gibt es für einige Kletterarten (wie den Klettersteig) auch spezielle Handschuhe. Auch zum Sichern beim Vorstieg gibt es verschiedene Handschuhmodelle, aber eben für die Sichernden und nicht für die Kletterer:innen selbst.

Der Grund hierfür ist einfach: Das Gefühl, die Traktion und Präzision sind ohne Handschuh einfach deutlich besser.

Das merkst du bereits bei Jugs, spätestens aber bei Crimps würde es problematisch werden. Kein Handschuh der Welt kann so präzise und eng an deiner Hand anliegen, um dir Gefühl zu gewährleisten und dich gleichzeitig noch zu schützen. Vielmehr würde das Schwitzen im Handschuh und der Faltenwurf eher dafür sorgen, dass du die Haut deiner Hände noch mehr in Mitleidenschaft ziehst.

Und weil du im Handschuh weniger Gefühl in der Hand und den Fingern hast, kannst du nicht so gut einschätzen, wann genau du aus der Wand gehst. Und spätestens dann kann es richtig gefährlich werden.

Tatsächlich ist auch die Reibung mit Handschuhen wesentlich geringer, da du mit zwei Reibungspunkten arbeitest: Der Reibung zwischen Handschuh und Griff und der Reibung zwischen Hand und Handschuh. Letztere Fläche sollte nach kurzer Zeit an der Wand sogar vor Schweiß triefen und Chalken hilft dir im Handschuh nicht.

Kurz gefasst: Handschuhe beim Bouldern sind keine gute Idee, es hat seine Gründe, dass du weder in Gyms, noch am Felsen andere Boulderer:innen mit bekleideten Händen siehst.

Grip o’ Gloves, die Boulderhandschuhe von North Face und Stefano Ghisolfi

Eine Besonderheit stellen die Handschuhe “Grip o’ Gloves” dar, die Stefano Ghisolfi bei kaltem Wetter und dünner Haut empfiehlt. Die sind allerdings schon seit Jahren ausverkauft, wie schade.

Grip o’ Gloves by Stefano Ghisolfi and The North Face. (Achtung: Ironie!)

Was tun gegen schmerzende und abreißende Hornhaut?

Aber du kommst ja nicht aus dem Nichts auf die Idee, Handschuhe zum Bouldern zu tragen. Vermutlich hast du sogar gute Gründe wie aufplatzende/abreißende Hornhaut, trockene Hände oder schmerzende Handinnenflächen. Hier also einige gezielte Tipps:

Gegen Hornhaut

Hornhaut ist ein Schutzmechanismus, der sich an deinem Körper überall dort entwickelt, wo du ihn forderst. Beim Bouldern sind das eben deine Hände.

Wichtig ist, dass du diese Hornhaut auch pflegst und geschmeidig hältst. Denn ist sie zu trocken, kann sie abreißen.

Profis nutzen Rasierklinge oder Nagelclipper, um lose Hornhaut zu entfernen. Trockene Hornhaut lässt sich auch herunter feilen oder mit Schleifpapier entfernen.
Ein Bimsstein direkt nach der Dusche beugt verhärteter Hornhaut ebenfalls vor. Wer es komfortabler mag, kann sich auch einen elektrischen Hornhautentferner zulegen.

Pflegepeeling mit Hausmitteln: Keine Lust auf langes Feilen? Du kannst daheim ganz bequem eine pflegende Lösung aus Zitronensaft, Olivenöl und Zucker anmischen und zwischen den Händen verreiben. Die raue Paste ist pflegend und riecht angenehm. Zudem entfernt sie die festen Teile deiner Hornhaut blendend und sorgt für weiche und geschmeidige Hände. Die entfernte Hornhaut bildet sich im Nu neu.

Gegen raue Hände

Nicht nur einige Griffe sind für die Hände besonders aggressiv, auch Kreide ist es. Schließlich absorbiert die Kreide die natürliche Feuchtigkeit deiner Hände. Vor allem alkoholbasierte Flüssigkreide trocknet deine Hände doppelt aus.

Nach der Session solltest du dir unbedingt gründlich die Hände waschen und diese direkt eincremen. So entfernst du Chalk-Rückstände und führst der Haut sofort neue Feuchtigkeit zu.

Bonustipp: Vermeide beim Aufwärmen Griffe mit allzu rauen Texturen, wie sie gerade in den niedrigeren Graden vorkommen. So schonst du deine Haut für dein aktuelles Projekt. Wenn dein Bouldergym eine Spraywall mit Holzgriffen besitzt, eignen sich diese besonders gut für ein hautschonendes Aufwärmprogramm (und auch zum Trainieren).

Gegen schmerzende Handflächen

Nach einer langen Session wirst du feststellen, dass du womöglich nicht mehr viel Haut auf den Händen hast und diese sich wund anfühlen. Das ist nichts Ungewöhnliches und selbst Profis beenden eine Session oft, wenn sie nichts mehr auf den Händen haben.

Haut wird an den Griffen abgerieben und Haut regeneriert sich wieder. Vor allem mit der richtigen Pflege wie feuchtigkeitsspendenden Cremes kommst du im Handumdrehen wieder an dein Projekt.

Handschuhe beim Crack Climbing

Hersteller wie Black Diamond oder Ocun stellen nicht nur Schuhe her, sondern inzwischen auch Crack Gloves. Diese richten sich speziell an alle, die gerne Cracks klettern. Die wohl bekanntesten Crack Climber sind die Wide Boyz, die sogar eine eigene Serie aus Gym Holds herstellen.

Bouldern mit Handschuhen – Will Bosi klettert mit den Wide Boyz Crack Gloves an den Wide Boyz Holds. @Wide Boyz

Crack Climbing ist ein sehr eigenes Biest und selbst erfahrene Athlet:innen nicht unbedingt immer gut darin. An Outdoor-Bouldern ist es nicht komplett unüblich, auch auf einen Felsspalt zu treffen, in der Halle ist dies aber die absolute Ausnahme.
Technisch betrachtet, platzierst du deine Hand zunächst im Spalt und ballst anschließend die Faust, um über die Reibung der aufgestellten Hand (in der Regel Finger und Handrücken) so viel Zug zu erzeugen, um dich in der Wand zu halten. Je überhängender das Problem, desto mehr Reibung ist notwendig.

Dass das nicht ohne einen gewissen Abrieb an den Händen passieren kann (und vor allem der Handrücken leidet), ist eine physikalische Gegebenheit. Daher ist genau diese Unterdisziplin auch die Ausnahme, in der auch Boulderer:innen Handschuhe tragen.

Weil Crack-Projekte aber so selten sind, besitzen nur wenige Kletterer:innen Crack Gloves, Abhilfe kann hier Klettertape schaffen. Dieses würdest du in dünnen Streifen um deine Hand legen, um dich vor der Reibung zu schützen.

Fazit: Keine Angst vor rauen Händen

Dass Bouldern deine Hände in Mitleidenschaft zieht, gehört zum Sport dazu. Die Hornhaut schützt deine Hände auf lange Sicht, entsprechend solltest du auch deine Hornhaut schützen. Feuchtigkeitsspendende Cremes (oder Handmasken) sind die perfekte Nachbereitung nach einer Session. Und zu trockener, unflexibler Hornhaut kannst du mit Bimsstein oder Feile bestens beikommen.

Mit Handschuhen zu bouldern, mag sich in den ersten Sessions besser anfühlen, doch an der Wand brauchst du einfach mehr Fingerspitzengefühl. Und das bekommst du nur, wenn du dich mit blanken Händen an die Wand wagst. Das kann in den ersten Einheiten noch schmerzhaft sein, aber es wird mit jeder Session besser – so wie auch du mit jeder Session besser wirst.

War der Artikel hilfreich?

Niklas B.
Viel erlebt, viel gebouldert, wenig geschafft.
Lieblingsschuhe: Scarpa Dragos LV
Lieblingschalk: Tokyo Powder
Lieblingbrush: Mantle

Noch mehr zum Thema

Alles ueber Crimps und Leisten beim Bouldern

Niklas B.

Frau bouldert Wettkampfboulder wie gesund ist bouldern wirklich

Niklas B.

Boulder Ausrüstung zum Outdoor Bouldern ONACLIMB.com

Niklas B.

Boulder Basics