Wichtiges im Überblick
Ist Bouldern riskant? – Ja, der Bouldersport ist ein Sport, der unterschiedliche Risiken birgt. Zu diesen Risiken zählen Muskel- und Gelenksverletzungen, Überlastungserscheinungen sowie Fall- und Schockverletzungen.
Risiken richtig meistern – Punkt 1 bedeutet nicht, dass Bouldern zwangsläufig immer gefährlich sein muss. Du hast es in der Hand, an vielen neuralgischen Stellen dein Risiko zu reduzieren.
Prehab statt Rehab – Der beste Weg, Verletzungen zu behandeln, ist die Vermeidung. Mit intensiver Vorbereitung, richtig dosiertem Training und guter Selbsteinschätzung kann das Verletzungsrisiko minimiert werden.
Zur Prähabilitation gehören Warm Ups, Dehnübungen und isoliertes Training.
Verletzungen beim Bouldern und deren Ursachen
Bouldern war bis vor wenigen Jahren noch eher ein Nischensport. Inzwischen ist das Klettern aus Absprunghöhe auch längst im Mainstream angekommen und immer mehr Athlet:innen in spe finden den Weg in eine Boulderhalle in ihrer Nähe. Ob, um den Einstieg in den Sport zu finden, um Freund:innen zu begleiten oder um mit Kolleg:innen und Vorgesetzten ein bisschen vertikales Teambuilding zu betreiben. Die Einstiegshürden sinken mit jeder neuen Boulderhalle und jedem Schnupperkurs.
Das wirft natürlich für viele Einsteiger:innen und Fortgeschrittene die Frage auf: Wie gefährlich ist Bouldern tatsächlich und welchen Risiken setze ich mich an der Wand aus?
In diesem Artikel geben wir dir einen detaillierten Überblick über Verletzungen, Risiken, Verletzungsursachen und die besten Strategien, um den häufigsten körperlichen Beeinträchtigungen entgegen zu wirken.
Denn natürlich ist der Bouldersport gefährlich, aber das ist jede Form der körperlichen Betätigung. Dass beim Bouldern ganz besondere Herausforderungen auf deinen Körper und auch deine Psyche einwirken, steht außer Frage. Doch das bedeutet nicht, dass du den Risiken hilflos ausgeliefert bist, im Gegenteil: Ein gesundes Risikobewusstsein wird aus dir eine:n bessere:n Boulderer:in machen.
Drei verschiedene Verletzungskategorien
Um besser zu verstehen, wie du dich beim Bouldern potentiell verletzen kannst, lohnt sich ein Überblick über die verschiedenen Arten der möglichen Verletzungen.
- Traumata: Bei dieser Verletzungsart handelt es sich um plötzlich eintretende, akute Verletzungen. Verursacht werden diese durch eine unsanfte Landung, einen Zusammenstoß oder einen unkontrollierten Sturz in einen Griff.
- Überlastungen: Diese Form der Verletzung entsteht immer dann, wenn Boulderer:innen Muskeln oder Sehnen über ihre Grenzen hinaus belasten und die Muskulatur oder das Sehnengeflecht die auftretende Belastung nicht mehr adäquat kompensieren kann. Überlastungen können traumatisch auftreten und durch eine einzige Bewegung entstehen oder aber durch eine stetige Überlastung eintreten.
- Verschleiß an der Haut: Bouldern ist ein intensiver Sport, der sich auch auf die Haut auswirkt. Was zunächst als Unannehmlichkeit beginnt, kann sich schnell ernster auswirken, wenn offene Flapper eine Session beenden und die Haut an der Handinnenfläche wund, offen oder gar blutig ist.
Verletzungen durchs Bouldern: Diese Körperteile sind besonders häufig betroffen
In einer Studie aus Wilderness & Environmental Medicine von 2021 wurden über einen Verlauf von 12 Monaten die Verletzungen von 507 Boulderer:innen ausgewertet. Die Studie kam auf eine Gesamtzahl von 305 Verletzungen, die sich auf 222 Boulderer:innen verteilten.
Ohne im ersten Schritt die Schwere der Verletzung zu betrachten, ergab sich aus der Untersuchung, dass Verletzungen der oberen Extremitäten mit 63 Prozent deutlich öfter auftreten als Verletzungen der unteren Extremitäten, die mit 23 Prozent sehr viel seltener auftreten.
Verletzungen der unteren Extremitäten stehen dabei häufiger – und wenig überraschend – im Zusammenhang mit Stürzen oder dem Abspringen aus größerer Höhe. Hierbei liegt eine hohe und plötzlich auftretende Last auf den Gelenken in Knöcheln, Knie, Hüfte (und auch der Wirbelsäule).
Eine genauere Untersuchung der verletzten Bereiche zeigt dann auf, dass Verletzungen der Finger und Hand mit Abstand am häufigsten vorzufinden sind.
- Mehr als jede vierte Boulderverletzung (28 Prozent) ziehen Boulderer:innen sich unterhalb des Handgelenks zu.
- Mit größerem Abstand folgen dann Schulterverletzungen (16 Prozent), dann erst Knie (8 Prozent) und Knöchel (7 Prozent).
Wie oben bereits erwähnt, sind Verletzungen der Beine eher auf Sprünge und Stürze zurückzuführen, während Finger und Schultern vor allem dann in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn die Studienteilnehmer:innen an der Wand waren. Bei anstrengenden Zügen an einer Route beispielsweise.
Zu vernachlässigen sind Verletzungen, die beim Training oder Dehnen entstehen oder solche, die durch andere Boulderer:innen verursacht wurden. Hier gab es in der Studie einen unglücklichen Zusammenstoß nach einer Landung.
Erklärung der Schweregrade der Verletzungen
Die Verletzungsgrade wurden in der Studie von Wilderness & Environmental Medicine in drei Stufen entlang der Union Internationale de Associations d’Alpinisme eingeteilt. Die Klassifizierung lautet also UIAA 1-3, wobei UIAA 1 den leichtesten Verletzungsgrad darstellt.
In der Tat sind die leichten Verletzungen auch mit 78 Prozent in der deutlichen Überzahl Verletzungen der ersten Kategorie, zu 19 Prozent der zweiten Kategorie und lediglich 3 Prozent aller Verletzungen fallen in den Schweregrad UIAA 3.
UIAA 1: Leichte Verletzungen
- Keine Notwendigkeit für professionelle medizinische Versorgung.
- In der Regel Selbstbehandlung möglich.
- Keine oder minimale Ausfallzeit für Training oder Aktivität.
UIAA 2: Mittelschwere Verletzungen
- Medizinische Behandlung wird empfohlen.
- Möglicherweise sind spezialisierte Tests oder Bildgebung notwendig.
- Erhebliche Ausfallzeit kann erforderlich sein.
UIAA 3: Schwere Verletzungen
- Sofortige und intensive medizinische Versorgung ist erforderlich.
- Oft ist ein chirurgischer Eingriff notwendig.
- Lange Ausfallzeit und mögliche dauerhafte Einschränkungen.
Gute Nachrichten also: Verletzungen kommen beim Bouldern zwar relativ häufig vor, sind aber selten schwerwiegend.
Der DAV hat Unfälle mit Rettungsdiensteinsatz ausgewertet
Der DAV untersuchte in seiner 2020er Statistik Unfälle beim Bouldern und Seilklettern mit Rettungsdiensteinsatz. Dabei zeigte Bouldern in der Halle sich als leicht gefährlicher als Seilklettern (54 – 32 Unfälle mit Notdienst). Auch hier sind die schwereren Verletzungen in der großen Überzahl durch Stürze entstanden, leichtere Verletzungen wie Zerrungen am Pulley wurden vom DAV nicht erfasst.
In einer Statistik von 2019, die ebenfalls vom DAV zusammengetragen wurde, hat man das Verletzungsrisiko pro ausgeübten 1000 Stunden des jeweiligen Sports ermittelt. Dabei kam man zu dem Ergebnis, dass im Schnitt 5.560 Stunden Bouldern und 50.000 Stunden Klettern nötig sind, bis ein Unfall mit Rettungsdiensteinsatz passiert.
Verglichen mit anderen Sportarten sind das sehr überschaubare Zahlen. Beim Profifußball sind es laut “Moderne Höhen- und Bergmedizin” beispielsweise nur 106 Stunden, bis ein Rettungsdiensteinsatz erfolgen muss.
10 Risiken, typische Verletzungen und Gefahren des Boulderns
Nachfolgend gehen wir ausführlich auf die einzelnen Risiken, typischen Verletzungen und Gefahren des Boulders ein und schildern mögliche Präventivmaßnahmen.
1. Sturzverletzungen: der Fall und der Impact
Boulderstrecken haben ihr Top in der Regel in einer höhe von 2,5-5 Meter, so dass die untergelegten Matten einen sauberen Fall in der Regel problemlos abfangen können.
Eine Sturzverletzung kann als Gelenktrauma oder gar als Fraktur nicht nur durch falsches Fallen entstehen, sondern auch dann, wenn in zu kurzer Zeit zu viel kinetische Energie auf die Gelenke einwirkt.
Da alle Boulderer:innen unterschiedlich resiliente Gelenke vorweisen, kann es hier keine pauschale Empfehlung darüber geben, wann selbst ein sauberer Absprung zu viel ist.
Wer eine vorbelastete Wirbelsäule hat, der sollte am besten jeden Boulder auch wieder abklettern.
Alle Anderen sind in der Regel besser damit beraten, sauberes Abspringen zu üben, um durch die hinzugewonnene Koordination mehr Sicherheit bei Stürzen zu schaffen.
Zum Fallen am Felsen findest du später noch einen dedizierten Paragraphen, da hier noch einmal andere Regeln gelten als beim sauberen Sturz in der Halle.
Prävention und Bewusstsein – Druck reduzieren
Ein Fall beim Bouldern erzeugt durch zwei physikalische Größen (Fläche und Kraft) einen Druck, der auf die Landungsfläche einwirkt. Ist dieser Druck höher, so erhöht sich auch das Risiko für alle beteiligten Gelenke, Wirbel und Extremitäten.
Es ist also im Interesse der Boulderer:innen, das Fallen richtig zu meistern. Anstatt dem Sturz durch einen gestreckten Körper eine Kraft entgegen zu setzen, sollte das Gewicht durch weiche Gelenke durchgereicht und über möglichst viel Fläche verteilt werden. Dies erreichst du etwa, indem du dich aus dem Stand in den Squat senkst und dann auf Hintern und Rücken rollst.
Dennoch ist und bleibt ein Sturz von der Wand gefährlich und eine schockartige Belastung wirkt auf deine Gelenke ein. Wie gut dein Körper dies weg stecken kann, hängt von deinem Alter, deinem Trainingsgrad und auch deiner Erfahrung im Fallen ab.
Zwei interessante Videos zum Fallen findest du in diesem unterhaltsamen Breakdown von Geek Climber und Central Rock Gym.
Die nicht so sauberen Stürze
Die oben bezeichneten Szenarien umreißen lediglich die Stürze, die du tatsächlich noch einigermaßen kontrollieren kannst, doch was machst du in den anderen Fällen? Was, wenn ein Fuß nicht so hält, wie du dir das vorstellst, und es ungeplant von der Wand in die Tiefe geht? Oder wenn du im Überhang mit dem Rücken parallel zum Boden fällst?
In letzterem Fall gilt die gleiche Maxime wie beim Outdoor-Bouldern. Wenn ein Fall auf die Füße nicht gewährleistet werden kann, solltest du deine Partner:innen ums Spotten bitten. Dann können diese dich mit einem sanften Schub in die richtige Ausrichtung pressen und du kannst sachte landen.
Bei spontanem Abrutschen von der Wand (und dies passiert nicht nur Einsteiger:innen) ist jahrelanges Training die beste Versicherung gegen Verletzungen. Je häufiger du die trockene Falltechnik schulst, desto eher hast du diese im Kopf auf Abruf.
Dann kannst du dich in vielen Fällen auch im Bruchteil einer Sekunde noch so platzieren, dass du technisch sauber landen kannst.
2. Verletzungen an Fingern und Sehnen: die klassische Boulderverletzung
Die Intensität des Bouldersports zeigt sich körperlich vor allem in den Fingern, die diesen Zug aus dem Alltag und aus anderen Sportarten schlichtweg nicht gewohnt sind.
Das kann für Einsteiger:innen an den ersten Crimps genau so zum Problem werden wie für Fortgeschrittene, die sich während einer Session am Moonboard überschätzen oder am Felsen unbedingt ihr fingerlastiges Projekt noch abhaken wollen.
Auch richtiges Greifen will gelernt sein, denn deine Finger sind bei Griffen wie einem Closed Crimp wesentlich mehr Belastung ausgesetzt als bei einem Open Drag. Natürlich gibt dir dies in entscheidenden Momenten den zusätzlichen Zug, den du benötigst, um dein Projekt abzuhaken, aber nicht jeder Griff an einer Strecke ist ein solch entscheidender Moment.
Entsprechend solltest du mit Erfahrung und Expertise lernen, deine Grifftechnik so anzupassen, dass du nicht nur härtere Strecken knackst, sondern auch deine Kraft und Ausdauer richtig einzuteilen weißt.
Mit mehr Erfahrung an der Wand ist zusätzliches isoliertes Training (etwa am Hangboard oder mit dem Quad Block) eine blendende Idee, um dich auf härtere Strecken vorzubereiten, die mehr Fingerkraft von dir verlangen und an denen du keine andere Wahl hast, als zu ziehen. Und zu beißen.
Diese Fingerverletzungen treten besonders häufig auf
Deine Langfinger (Zeige-, Mittel-, Ring- und kleiner Finger) haben vier bis fünf Ringbänder, die als zusätzlicher Kraftverstärker für die Sehnenscheide agieren.
Vor allem das Ringband A2 im Grundglied deiner Finger (also denen, die am dichtesten am Handrücken liegen) ist bei Crimps starker Last ausgesetzt, wenn du die Finger aufstellst. Auch Monos können hohen Zug auf ein Ringband verursachen, da die anderen Finger hier nicht entlastend agieren können.
Bei Beeinträchtigungen und Verletzungen eines Ringbandes müssen wir zwischen leichten und schweren Verletzungen unterscheiden. Die Überlastung der Ringbänder ist eine leichte Verletzung, deren Ursache vor allem aus einer graduellen Überforderung heraus entsteht. Immer wieder trotz angeschlagener Finger weiter zu klettern, wird sich über kurz oder lang in Überlastungen niederschlagen.
Anrisse und Zerrungen hingegen sind meist das Ergebnis eines plötzlichen Traumas, etwa durch einen plötzlichen ruckartigen Zug oder aber eine plötzlich auftretende Überlastung (bspw. Abrutschen des Fußes), vor allem mit aufgestellten Fingern.
Ein Ringband kann natürlich auch komplett reißen, aber gehen wir nicht immer sofort vom schlimmsten Fall aus. Ein Riss wird dich länger zurück werfen und du solltest diese Verletzung unbedingt vermeiden. Fast so schlimm wie Pause und Schmerz ist übrigens das Geräusch eines schnalzend reißenden Ringbands.
Und was tust du, wenn die Ringbänder verletzt sind?
Zunächst einmal solltest du bei Schmerzen natürlich den Weg zu den Ärzt:innen deines Vertrauens suchen, um nicht mit lockerer Selbstdiagnose wieder einzusteigen.
In der Regel ist die Therapie der Finger konservativ. Du stellst diese also selbständig ruhig oder sie werden mit einer Fingerschiene ruhig gestellt. Training mit Gummibändern bringt dich dann wieder zurück an die Boulderwand, im Zusammenspiel mit der notwendigen Geduld.
Je nach Schweregrad der Verletzung kann auch eine mechanische Ruhigstellung vonnöten sein, häufig in Fall eines thermoplastischen Verbandes.
Eine besonders schmerzhafte Ringbandverletzung wie ein Riss oder Anriss kann dich auch mal mehr als zehn Wochen zurückwerfen. Grund genug also, eine entspanntere Grifftechnik zu meistern und die eigene Fingerpower einschätzen zu lernen.
Behandlung von Ringbandverletzungen – ruhigstellen und ruhig bleiben
Pulley-Verletzungen gehören zu den häufigsten Verletzungen von Boulderer:innen und nahezu alle ambitionierten Sportler:innen im Klettersport kennen einige Bekannte, die sich bereits eine Pulley-Verletzung zugezogen haben.
Rein sprachlich gilt hier übrigens Obacht, denn der Pulley bezeichnet sowohl das Ringband im Finger wie auch die Rotatorenintervallschlinge in der Schulter. Beide kannst du dir beim Bouldern problemlos verletzen. Sprechen Boulderer:innen aber von einer “pulley injury”, so sind in der Regel die Ringbänder gemeint.
Lattice Training bietet dir hier ebenfalls einen kompakten Überblick über Fingerverletzungen und die Rehabilitation:
Prävention und Training – Falsche Überlastungen vermeiden
In der Regel kündigen Verletzungen an den Fingern sich bereits während einer Session schmerzhaft an oder sorgen auch zwischen den Einheiten für schmerzende Gelenke und Sehnen.
Du spürst also, wenn etwas im Busch ist und eine Verletzung sich ankündigt und dann liegt es an dir, dem gegenzusteuern. Beende deine Session, mäßige deinen Ehrgeiz und nutze Klettertape.
Das Tape kann deine Sehnen beim Zug unterstützen, da es durch seine Rigidität zusätzlichen Halt gibt. Tape ist allerdings eine Notfalllösung und keine Ausrede, um eine Session trotz sich anbahnender Verletzung beliebig zu verlängern.
Präventives Tapen kann dir etwas mehr Zug in einer fingerlastigen Strecke bringen, ist jedoch nur kurzfristig wirklich sinnvoll. Deine Finger dauerhaft zu entlasten, kostet dich das nötige Training deiner Sehnen und macht dich so mittelfristig sogar anfälliger für Verletzungen.
Das heißt natürlich nicht, dass deine Finger nicht auch durch traumatische Zugeinwirkungen verletzt werden können, aber Unfälle sind seltener als Selbstüberschätzung.
Auch Hang- und Campusboards solltest du keinesfalls ohne ausreichende Erfahrung aufsuchen. Deine Sehnen brauchen behutsames Training und isolierte Sessions für die Fingerkraft werden dich in den ersten Jahren nicht weiter bringen, sie erhöhen ohne die nötige Erfahrung und physische Disposition nur das Risiko einer Sehnenverletzung.
Für erfahrene Kletterer:innen hingegen sind solche isolierten Sessions notwendig, um die notwendige Fingerkraft durch eine sehr sachte und stetige Progressionskurve aufzubauen.
H-Taping – Finger besser tapen
Eine Methode, deinen Fingern (vor allem den Ringbändern) mehr Support bei Crimps zu geben, ist das sogenannte H-Taping. Diese Technik funktioniert besser als das dicke Tapen einzelner Fingerglieder und ist nur unwesentlich komplizierter.
Beim H-Taping nimmst du einen Streifen Tape und reißt diesen in der Mitte (vertikal entlang des Tapeverlaufs) an, so dass dieser im Zentrum noch von einer Brücke zusammengehalten wird.
Das Resultat sieht dann wie ein H – oder vielleicht eher wie ein X – aus und lässt sich derart um deinen Finger wickeln, dass du die dünnen Ärmchen um die Fingerglieder wickelst, während die Tape-Brücke um die Beuge des Fingers gewickelt ist.
Was verbal schwer en Detail zu erklären ist, bereitet dieses Video von Volker Schöffl übersichtlich auf:
3. Schulterverletzungen: wenn aus viel Zug zu viel Zug wird
Bei vielen Boulderstrecken liegt noch einmal mehr Last auf deinen Schultern als bei vielen Kletterstrecken. Vor allem die New School ist bekannt für ihre starken dynamischen Züge.
Zu den häufigsten Schulterverletzungen unter Boulderer:innen zählt etwa das Schulter-Impingement-Syndrom, bei dem es zu einer Verengung und Verklemmung des Sehnen- oder Kapselgewebes in der Schulter kommt. Die Ursache liegt hierfür meist in einer Beeinträchtigung der Rotatorenmanschette.
Unterschieden wird in primäres und sekundäres SIS, wobei das sekundäre Impingement-Syndrom durch körperliche Instabilität oder biomechanische Defizite verursacht wird. Diese Defizite werden durch schwierige Züge oft entblößt und verschlimmert.
Erste Symptome äußern sich zumeist durch einen lokalen, äußerlich aufretenden Schmerz über der Schulterpfanne.
Doch Obacht: Nach einem Sturztrauma oder Impact kann auch die Rotatorenmanschette verletzt sein. Die Symptome und Schmerzen ähneln denen des Impingement-Syndroms, aber ein wichtiger Unterschied ist die mangelnde Rotationsstärke. Bei einer Verletzung der Rotatorenmanschette kannst du den Arm unter Last nur schwer rotieren. Bei SIS ist dies schmerzhaft, aber möglich.
Auch das einfache Heben des Arms ist mit einer Verletzung der Rotatorenmanschette erschwert und nicht in allen Winkeln möglich.
Bei vielen (vor allen dynamischen) Zügen wird die Rotatorenmanschette stark in Anspruch genommen, Stürze ins Gelenk, ohne dass die Muskulatur diese adäquat abfedern kann, sind hierbei besonders giftig.
Einen Zug, den du dabei unter allen Umständen vermeiden solltest, ist ein Dyno nach unten. In Wettkämpfen wird es in der Regel vermieden, so zu setzen und auch in den meisten Hallen sollte das nicht vorkommen. Für Züge am Fels ist das allemal zu waghalsig. Doch natürlich kann es passieren, dass du mit einem solchen Move einen Beta Break versuchen möchtest – das ist unnötig gefährlich für deine Schultern und keine noch so spektakuläre Instagram Story ist dieses Risiko wert.
Dr. Hooper von Hooper’s Beta erklärt das Shoulder Impingement Syndrome noch einmal im Detail.
Prävention und Vorbereitung – ein robusterer Muskelapparat
Wenn deine Schulter sich verletzt oder einem Verletzungsrisiko ausgesetzt ist, dann liegt dies an der physikalischen Kraft, die auf das Gelenk einwirkt.
Eine gut ausgerichtete Schulter ohne Fehlstellung und ein schützender Muskelapparat sind oft eine ausreichende Versicherung gegen erhöhte Verletzungsrisiken. Vorbereitendes Training mit dem Widerstandsband, an der Klimmzugstange oder am Campus Board bereiten deinen Muskeltonus so vor, dass deine Schultern mehr Resilienz erhalten. Was deine Muskulatur halten kann, muss das Gelenk nicht abfangen.
Dabei geht es gar nicht so sehr um große Muskelpakete, bereits ein Verständnis dafür, wie deine Gelenkstellung beim Hängen an der Wand sein sollte, kann dir einen langen Hebel liefern, um auch anstrengen Campuspassagen besser bouldern zu können.
Weil es sich bei der Schulter um ein komplexes Geflecht aus Muskeln handelt, sollte auch das präventive Training entsprechend ausgerichtet sein. Deltamuskulatur, Trapez (besonders wichtig für eine aufrechte Haltung), Brustmuskulatur, Trizeps, Schultermuskulatur – all diese Muskelgruppen funktionieren nur im Zusammenspiel auf höchstem Niveau. Und vom Mantle über den Gaston bis hin zum Campus-Zug brauchst du vor allem bei schwierigeren Strecken stabile Schultern.
Schultern aktivieren
Eine gute Grundsatzregel, die du beim Bouldern (und beim Fitnesstraining beachten solltest) ist das aktive Involvieren deiner Schultern.
Dies kannst du in Isolation, also an Klimmzugstange oder Campusboard, recht gut trainieren, indem du zunächst einmal entspannt hängst. In dieser Position wirst du schnell feststellen, dass deine Schultern sich in Richtung Ohren bewegen. Deine Muskeln sind hierbei nicht an der Bewegung und der Anstrengung beteiligt, der Druck liegt ausschließlich auf dem Gelenk.
Ein aktiver Zug hingegen ermöglicht dir, die Lastverteilung auf deinen Muskelapparat umzulegen, so dass du die Gelenke entlastest.
Das kann nicht nur potentielle Verletzungen verhindern, sondern hilft dir auch beim Bouldern. Ruhst du in den Gelenken, fehlt dir der aktive Schub in die Wand und dein Schwerpunkt ist weiter von der Wand entfernt als er es sein müsste.
Aktive Schultern und ein aktiver Core hingegen pressen dich in die Wand und reduzieren damit auch den Zug, den deine Finger kompensieren müssen, so dass du vergleichsweise bequem in den nächsten Move gehen kannst.
Einen nächsten Zug zu nehmen, wird zudem leichter, wenn dein Oberkörper engaged ist, als wenn du wie ein Küchentuch an der Wand hängst.
4. Hautverletzungen: Cuts und Flapper – wenn die Hände zum Wundmal werden
Hornhaut ist prinzipiell etwas Gutes, denn sie schützt deine Hände. Die Hornschicht ist eine Schutzschicht, die deine Haut gegen äußere Einflüsse widerstandsfähiger macht. An den Füßen hat jeder Mensch Hornhaut, an den Händen hingegen nicht unbedingt – zumindest vor dem Bouldern.
Bereits kurz nach dem Einstieg ins Klettertraining wirst du feststellen, dass deine Hand und Finger an einigen Stellen verhornen und das ist vollkommen normal. Druck und Reibung über einen längeren Zeitraum fordern von deiner Haut eine Reaktion und diese reagiert durch die Bildung von Horn (Callus).
Ein gewisses Maß an Hornhaut ist für Boulderer:innen durchaus wünschenswert, da es die Griffe an vielen Stellen erleichtert und das Zupacken (vor allem am kantigen Felsen) nicht mehr schmerzt.
All dies trifft aber nur zu, so lange die Hornhaut noch geschmeidig ist und nicht komplett austrocknet. Übermäßig trockene Hornhaut kann abplatzen und als Flapper noch halb an der Hand hängen.
Auch Cuts oder Blutblasen können die Folge trockener oder wunder Haut bei einer steten Überlastung sein. Einige Felsformationen können für dich zu einer besonders einschneidenden Erfahrung werden.
Unter den Verletzungen ist die Haut dann offen und wund, die Schmerzempfindlichkeit macht eine Fortsetzung der Session nur noch schwerlich möglich. Tape kann hier helfen, da es den Auflagendruck verteilt. Allerdings solltest du bei Beeinträchtigungen der Haut lieber präventiv als behandelnd tapen. Du verlierst zwar etwas Grip in den Fingern, aber Tape hat mehr Druck als offenes Fleisch.
Prävention und Nachbereitung – rigorose Hautpflege
Nicht alle Verletzungen der Haut lassen sich vollkommen ausschließen. Vor allem am scharfkantigen Felsen kann es zu Verletzungen kommen, die sich nicht verhindern lassen.
In vielen Fällen allerdings kann eine gezielte Hautpflege das Risiko von Flappern, Blutblasen und Co. deutlich senken.
Hautpflege bezieht sich hier auf Pflege während und nach der Einheiten.
- Hände waschen: Am Ende jeder Session solltest du deine Hände gründlich waschen, um alle Spuren von Kreide zu entfernen. Die Kreide trocknet deine Hände auch nach der Session weiter aus und verzögert die Regeneration, darum solltest du sie so schnell wie möglich entfernen.
- Handcreme und fettender Balsam: Es gibt viele Mittelchen speziell für Kletterer:innen, auch wenn es nicht immer notwendig ist, hier tief in die Tasche zu greifen. Jede fettende Creme hilft.
- Rasierklinge und Clipper: Leicht überstehende Hornhaut kannst du sehr gut mit einem Skin Clipper oder einem Nagelclipper entfernen. Eine Rasierklinge ist hier noch etwas präziser, allerdings hat nicht jede:r Nerven und Muße dafür.
- Klettertape: Ist die Haut beeinträchtigt und wund oder ein erster kleiner Cut zeigt sich, ist Tape oft eine Lösung, mit deren Hilfe du weiter bouldern kannst. Je früher du tapest, desto besser kannst du weiter an deinen Projekten arbeiten. Wie du richtig tapest, zeigt dir Tom O’Halloran in diesem Video.
5. Staublunge durch Bouldern – ist Chalk ein Risiko?
Chalk ist das weiße Gold der Kletterer:innen, doch kann zu viel Magnesium (darum handelt es sich bei der Kletterkreide chemisch) schädlich sein?
Richtige Studien zum Thema gibt es wenige, eine kleine Untersuchung zum Thema gibt es in der Zeitschrift für Sportmedizin – das Fazit: gemischt.
Zu den dauerhaften Langzeitschäden von zu viel Chalk gibt es keine Untersuchungen, wobei dies natürlich alleine die Frage aufwirft, ab wann genau wir von zu viel Chalk in der Luft reden? Wann ist die Ventilation in der Halle ausreichend? Wann hilft bereits ein offenes Fenster, damit der Feinstaub sich setzt?
Tatsächlich sind die kurzfristig auftretenden Nebenerscheinungen der Chalknutzung vor allem auf die mechanische Reizung der Lunge durch den entstehenden Feinstaub zurückzuführen. Die “kreidige” Stimme, eine trockene Kehle und ein Hustenreiz können durchaus die Effekte von zu viel Chalk in der Luft sein. Allerdings vergehen alle diese Effekte nach einiger Zeit wieder, ohne dass du Langzeitfolgen befürchten müsstest.
Zu Hochzeiten von COVID hatten einige Hallen allerdings die Nutzung von Chalk untersagt und Boulderer:innen gebeten, auf Flüssigkreide umzusteigen. Da der Feinstaub die Atemwege austrocknet, erhöht er das Infektionsrisiko mit COVID, gleichzeitig desinfiziert Liquid Chalk bei jeder Nutzung die Hände – so konnten die Hallen dem Problem auf zweierlei Arten begegnen. Und natürlich wirkt auch jeder mechanische Hustenreiz suspekt auf alle Umstehenden.
Die deutsche Halle Blockhelden zeigt mit nachhaltigen Kreide-Dispensern nicht nur, dass Chalk auch nachhaltig funktionieren kann, sondern stellt ihre Kreide sogar als Kaffeezusatz zur Verfügung.
Bei 6:30 Min darf Matt Groom von EpicTV Climbing Daily die Kreide auch im Kaffee probieren. Um Chalk in der Luft solltest du dir also nicht allzu viele Sorgen machen, wenn andere damit ihren Cappuccino anreichern.
Das realere Risiko der Kreide ist tatsächlich der Sturz auf den Kreidebeutel mit anschließendem Umknicken.
Chalkfilter in Boulderhallen: immer mehr Boulderhallen investieren in effektive Anlagen und Filterungssysteme, um Chalk und andere Feinstaubpartikel aus der Luft herauszufiltern. Das ist ein positiver Trend.
6. Besondere Gefahren beim Outdoor-Bouldering
Das Bouldern im Gelände weist seine eigenen Gefahrenquellen auf.
Sturzrisiko
Doch auch am Felsen ist Outdoor-Bouldering ein Sport mit eigenen Risiken. Das Sturzrisiko ist hier ein Anderes als in der Halle. Die Matten in der Halle sind großräumig verlegt, ein Fall ist weich gepolstert. Im Gelände müssen die Crashpads zunächst richtig gelegt werden, Partner:innen müssen eventuell während der Route nachjustieren. Beides erfordert ein gutes Auge und viel Aufmerksamkeit.
Und selbst die richtige Position der Matte ist kein Garant für einen entspannten Sturz. Löcher, Wurzeln, Steine, all dies kann auch durch die Polsterung hindurch blaue Flecken oder Verstauchungen verursachen. Lücken zwischen den Crashpads sind für Verstauchungen oder Bänderrisse prädestiniert.
Spotten
Auch das richtige Spotten und gespottet werden wollen gelernt sein. In Bouldering Gyms ist die Strecke nach unten in der Regel frei. Am Felsen reicht die Distanz zum Boden wegen des tiefen Starts oft nicht für einen sauberen Fall, der Untergrund ist nicht zwangsweise gerade oder du stürzt gar aus einer horizontalen Situation oder sogar mit den Füßen über Kopfhöhe.
Spotter:innen begleiten deinen Fall und geleiten dich sicher zur Matte, allerdings entstehen in der Zusammenarbeit immer Risiken. Auch bei Vorstieg oder beim Toproping kommt es immer wieder zu Sicherungsfehlern oder Missverständnissen.
Wann du wirklich in den Dyno gehst, nur Maß nimmst oder aus der Wand gehst und dann auf deinen Spotter:innen landest, ist nicht immer zu hundert Prozent abzuschätzen.
Es muss also nicht immer menschliches Versagen vorliegen, Spotten ist schwierig für alle Beteiligten.
Hier hilft nur Übung – und Teams spielen sich am besten an einfachen Bouldern ein.
Einen kompakten Spotting- und Crashpad-Guide von Mountain Syllabus findest du hier.
Sonnebrände
Eines der oft abgetanen (aber keineswegs unwichtigen) Risiken ist dabei die Gefahr eines Sonnenbrandes, einer Insolation oder in der Spätfolge Hautkrebs.
Viele Boulder liegen eher in schattigen Bereichen, bei körperlicher Betätigung und dem mentalen Load, das auf Boulderer:innen liegt, lässt sich die Sonne oft vergessen. Aber Sonnenschutz und ausreichende Hydration sind selbst bei bewölktem Himmel wichtig. Und eine Kopfbedeckung sollte zwischen den Routen und beim Spotten immer griffbereit liegen.
7. Risiken für die Vegetation
Nicht alle Risiken, die mit dem Bouldern einher gehen, müssen zwangsläufig dich betreffen. Gerade beim Outdoor-Bouldering gibt es auch Gefahren für die Umwelt, vor allem dann, wenn Boulderer:innen nicht umsichtig genug mit der Natur umgehen.
Risiken für den Stein:
In vielen Bouldergebieten ist die Nutzung von Chalk strikt untersagt, denn Kreide gerät in die kleinen Felsspalten und kann die Gesteinsoberfläche spiegelglatt polieren. Auch schmutzige Schuhe können für erhöhten Abrieb sorgen. All das resultiert darin, dass Boulderprobleme schnell ihren Charakter verlieren.
Risiken für die Vegetation:
Eine 2016er Studie aus Biological Conservation zeigte, dass Bouldern einen negativen Einfluss auf die Vegetation am Felsen hat. Warum? Um Strecken klettern zu können, müssen Pflanzen um die Boulder herum entfernt werden. Auch größere Äste werden entfernt, um Crashpads platzieren zu können. Aus der Sportperspektive heraus ist dies alles durchaus verständlich, stellt jedoch jedes Mal einen Eingriff in das Ökosystem dar.
Gefahren für das Bouldergebiet:
Nicht nur direkt am Felsen ist ein Ökosystem durch viele Reisende einem erhöhten Druck ausgesetzt, sondern auch auf dem Weg zum Boulder. Achtlos niedergetretene Gräser und Baumsetzlinge abseits der Wege können die Regeneration eines Bioms massiv beeinträchtigen. Auch Feuer stellt eine erhebliche Gefahr für ein Ökosystem dar.
8. Bouldern mit Todesfolge? Wie hoch ist das Risiko eines tödlichen Unfalls?
Nach Durchsicht verschiedener Statistiken rund um das Verletzungsrisiko beim Bouldern, scheinen tödliche Unglücke weder in der Halle, noch am Felsen ein reales Risiko zu sein.
Tödliche Kletterunfälle passieren immer wieder, vor allem bei einem Free Solo oder beim Trad-Climbing ohne Helm, der Bouldersport selbst gehört aber nicht zu den Sportarten mit potentiell tödlichem Ausgang.
Das heißt natürlich nicht, dass im ungünstigsten aller Fälle nicht doch schwerste oder gar tödliche Verletzungen drohen können – aber das ist auch auf dem Volleyballfeld oder im Swimmingpool möglich.
Es gibt also keine gewichtigen Gründe, vor dem Gang in die Boulderhalle oder einem Trip nach Fontainebleau dein Testament auf den neuesten Stand zu bringen.
9. Ess- und Ernährungsstörungen, sowie ungesunder Gewichtsverlust
Zwar zählt Bouldern nicht zu den Risikosportarten für Essstörungen, dazu zählen eher Skispringen und Turnen.
Doch natürlich kann ein wachsender Ehrgeiz auch bei Boulderer:innen den Drang wecken, einige Pfunde zu verlieren.
So richtig erwiesen ist die Kausalität zwischen Performance und niedrigem BMI nicht, auch wenn Studien (Schöffl, V. et al., Climbing Medicine, Springer 2017 – p.217) ergeben haben, dass die Weltelite eher schlank ist.
Doch was zählen Studien, wenn die eigene Beobachtung empirisch feststellt, dass selbst in Gyms die meisten Athlet:innen an den höheren Schwierigkeitsgraden eher drahtig sind? Der Reiz, einige Pfunde zu verlieren, um gerade Crimps besser zu halten, liegt da nahe.
All das kann natürlich Boulderer:innen zum Trugschluss führen, dass eine schnellere Optimierung ihrer Leistung vor allem etwas mit ihrem Körpergewicht zu tun hat und sie dieses so schnell wie möglich reduzieren müssen. Nicht alle Menschen sind dabei unbedingt der Typ, um solch ungesundem Ernährungswandel anheim zu fallen.
Vor allem junge Frauen zwischen 15-25 sind besonders häufig betroffen, doch auch Männer können an Essstörungen wie Anorexie oder Bulimie erkranken. Ein ernsthaftes Training oder gar Wettbewerbe sollten für Betroffene hier ausgeschlossen werden, bei moderaterer Gefährdung sollte eine medizinische Überwachung erfolgen.
Grundsätzlich ist jede Form radikaler Diät schädlich für deine Performance, da ein kalorisches Defizit dich Energie kosten wird und auf Dauer nicht erhalten werden kann. Jede Rückkehr in deine regulären Essgewohnheiten würde folglich zu einer schnellen Gewichtszunahme führen.
Sicherlich setzt du deine Gelenke bei Übergewicht einer höheren Belastung aus und das wirkt sich letztlich vor allem auch auf plötzliche Schockeinwirkungen wie Absprünge aus, aber du musst nicht rapide Gewicht verlieren, um ein:e bessere:r Boulderer:in zu werden.
Beobachtest du solche Tendenzen bei dir, solltest du dich unbedingt in eine ärztliche Behandlung begeben.
10. Macht Bouldern süchtig?
Salopp werden deine Freund:innen dich vielleicht schon einmal darauf hingewiesen haben, dass deine Liebe zur Kletterwand einer Sucht gleicht. Aber ist an dem kecken Spruch etwas dran? Und wenn, wäre das tatsächlich so schlimm?
Hormonell findet sich durchaus ein Funken Wahrheit in der These von Bouldersucht, denn intensive Workouts sind mit einem Schub an Endorphinen verbunden. Diese Hormone machen dich glücklich, dein Gehirn erreicht mit dem Top-Griff quasi Wolke sieben.
Beim Laufen wird ein ähnlicher Zustand etwa als Runner’s High bezeichnet und holt Läufer:innen in einen Zen-Modus – weswegen sie morgens in Laufschuhen das Haus verlassen.
Bouldern hat aber einen weiteren hormonellen Vorteil gegenüber anderen Sportarten: Adrenalin und Dopamin. Adrenalin wird in gefährlichen Situationen ausgeschüttet und beim Bouldern ist es genau dieses Risiko, das viele Strecken so reizvoll macht. Kriegst du den nächsten Griff dynamisch? Bist du nach dem Step Up schnell und sicher im Gaston? Ist die Backflag stabil genug? Diese kurze Unsicherheit schüttet zunächst Adrenalin aus und dann – nach bestandener Feuertaufe – Dopamin. In deinem Kopf läuft auf neurochemischer Ebene jedes Mal ein kleines Feuerwerk ab.
Hinzu kommen soziale Aspekte wie das Zusammensein mit Freund:innen, ein Wettbewerb mit Gleichgesinnten und dir selbst und das Erfolgsgefühl, wenn du ein Projekt abhakst.
Gemeinsamkeiten gibt es hier durchaus mit anderen Sportarten, eine tatsächliche Sucht nach dem Bouldern würde sich wie andere Sportsüchte auch äußern und könnte Folgestörungen wie Narzissmus, Neurosen, Zwangsstörungen und Essstörungen nach sich ziehen.
Es gibt durchaus ein reales Risiko, süchtig nach dem Bouldern zu werden. Solange du Warnzeichen wie das Vernachlässigen anderer Verpflichtungen und körperliche Überlastung beachtest, ist dieses Risiko aber überschaubar und du kannst es unter Kontrolle bringen.
Kann Bouldern dann überhaupt noch gesund sein?
Bouldern ist – wie jede andere Sportart auch – gut für dich. Um die durchaus realen Risiken des Bouldersports musst du dir keine extremen Sorgen machen. Natürlich kann es immer wieder zu Verletzungen kommen, aber das bedeutet nicht, dass Bouldern deinem Körper und deiner Seele nicht gut tut.
Als kleines Gegengewicht zu all den deprimierenden Verletzungsmeldungen findest du hier einige der positiven Auswirkungen des Bouldersports:
- Mehr Selbstvertrauen
- Soziale Interaktion mit Gleichgesinnten
- Nachgewiesene Wirkung gegen Depressionen
- Gesunder Muskelaufbau
- Physische Problemlösung
- Mehr Flexibilität
- Mehr Balance
- Bessere Koordination
- Spaß am Sport
Anders als lineare Sportarten wie etwa Krafttraining, ist Bouldern ein Sport, der von dir stets wieder Anpassungen verlangen wird und in dem du in jeder Session vor neuen Herausforderungen stehst.
Zu deiner Progressionskurve beim Bouldern gehört allerdings auch, dass du Fertigkeiten und Risiken an der Wand besser einzuschätzen lernst.
Mehr Selbstvertrauen, bessere Selbsterkenntnis – was kannst du und was kannst du (noch) nicht
Überlastungs- und Sturzverletzungen können in vielen Fällen eine Folge übersteigerten Selbstvertrauens und eines Mangels an korrekter Einschätzung der eigenen Fähigkeiten an der Wand sein.
Ein Teil des Schwierigkeitsgrades eines Boulders wird sich immer dadurch meistern lassen, dass du weißt, wie viel Zug deine Hände aufbringen können, wann dein Fuß sicher steht und wie du deinen Schwerpunkt an der Crux verschieben musst. Dies erfordert Vertrauen und ein Bewusstsein für das Risiko, dem du dich gerade aussetzt.
Es ist (auch für erfahrene Boulderer:innen) keineswegs unüblich, sich in einen schwierigen Zug zu lehnen, ohne das nötige Commitment aufzubringen und dann im letzten Moment abzubrechen. Bereits im Vorfeld zu wissen, wann ein Zug sicher scheitern wird, weil Distanz oder Stütz nicht stimmen, gehört zur Klettererfahrung dazu.
Und in solchen Fällen ist es immer besser, den Versuch halbherzig abzubrechen, vorsichtig aus der Wand zu gehen und das Problem noch einmal von unten zu analysieren.
Gerade in den einfacheren und mittleren Graden ist ein potentielles Verletzungsrisiko oft gar nicht vonnöten, weil viele Züge nicht besonders dynamisch und riskant gesetzt sind, wenn Füße und Körper richtig platziert werden.
Aber auch das richtige Maß an Vertrauen will gelernt werden. So nämlich erhältst du ein sicheres Gefühl dafür, dass dein Ballen sicher auf dem abschüssigen Volume steht oder deine Zehenbox fest auf einem Kreditkarten-Crimp platziert ist.
Diese Synchronisation zwischen Körper und Psyche hilft dir dabei, genauer einzuschätzen, wann du welches Risiko eingehen kannst, wann du auch einen weiten Zug sicher halten wirst und wann es besser ist, abzubrechen. Mit einer neuen optimierten Technik und einem freien Kopf kannst du dann immer wieder an die Wand.
Fazit – Respekt vor dem Risiko statt Angst vor Verletzungen
Ja, Bouldern ist ein gefährlicher Sport. Beim Bouldern ist dein Körper einem nicht unerheblichen Risiko ausgesetzt.
Viele der potentiellen Verletzungen betreffen Sehnen, Gelenke und Muskulatur – hier kannst du die Chance auf eine Verletzung durch richtiges Training und ein angemessenes Risikobewusstsein besser kontrollieren. Doch unbeabsichtigte Stürze gehören zum Bouldersport ebenso dazu wie ein spektakulärer Flash an einer kniffligen Route. High Ball-Züge an Outdoor-Bouldern sind ein Kernelement des Bouldersports – high risk, high reward.
Es kann hier immer sein, dass du dich in einem unglücklichen Moment verletzt. Auch das gehört zum Sport dazu.
Allerdings ist Bouldern auch kein Sport mit vollkommen unwägbaren Risiken. Im Gegensatz zum Parcours auf Häuserdächern oder einer Free Solo-Strecke sind die Gefahren beim Bouldern überschaubar. Niemand verletzt sich gerne, aber eine unachtsame Bewegung endet hier eher in einem verstauchten Knöchel als der eigenen Beerdigung.
Und bei allen Risiken überwiegen doch die Vorzüge des Bouldersports. Ein gesunder Muskelaufbau, körperliche und psychische Herausforderungen, soziales Miteinander und ein besseres Gefühl für den eigenen Körper.
Gerade das langsame Pacing beim Bouldern ist es auch, das dich lehren kann, richtig auf deinen Körper zu hören und Warnsignale auch als solche wahrzunehmen.
Während eine Fußballmatches ist es schwierig, sich zurückzunehmen. Beim Bouldern hingegen kannst du einige Schritte Abstand nehmen, einen Kaffee trinken und weiter machen, wenn du dich wieder fit fühlst.
Angst ist beim Bouldern unangebracht, aber ein gesunder Respekt wird dich vor allzu fiesen Verletzungen schützen und hat einen weiteren positiven Aspekt: Respekt vor Verletzungen zwingt dich dazu, allzu riskante Manöver durch eine ruhige und kontrollierte Technik zu ersetzen.
Und welche:r Boulderer:in wünscht sich nicht, verletzungsfrei und technisch sauber zu klettern?